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Welche Digitalkompetenzen sind für welche Teile der Bevölkerung relevant?

Empirische DatenQuantitative DatenStudiendatenbankQualitative StudienKompetenzmodelle

Autor: Dr. Niels Brüggen | Leitung der Abteilung Forschung | JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis
Beitrag erschienen am: 6.11.2024

Das Projekt „Digitales Deutschland | Monitoring der Digitalkompetenz der Bevölkerung“ bietet auf diese Frage gleich zwei Antworten: Der „Kompass: Künstliche Intelligenz und Kompetenz“ zeigt nicht nur auf, wie die Bevölkerung von 12 bis 99 Jahren die eigene Digitalkompetenz einschätzt. Vielmehr beantwortet er auch die Frage, für wie wichtig die jeweiligen Kompetenzen in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen gehalten werden. Eine Studiendatenbank zum Thema bietet zudem einen Überblick über den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs. Beides sind wichtige Grundlagen für eine smarte Digitalpolitik, die sich an empirisch ausgewiesenen Bedarfen der Menschen orientiert. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen der Digitalstrategie Deutschland gefördert.

Orientierungsangebot zu Kompetenzmodellen für den digitalen Wandel

Vor der Frage, wie kompetent Menschen in Bezug auf digitale Entwicklungen sind, steht die Frage, welche Kompetenzen ein souveränes Leben angesichts des digitalen Wandels benötigt werden. Der Überblick über die vorliegenden Kompetenzmodelle, die diese Frage beantworten, ist herausfordernd. Denn es finden sich eine Vielzahl an Modellen und dabei solche, die bestimmte Alters- oder Bevölkerungsgruppen im Fokus haben, ebenso wie solche, die den Anspruch erheben, für die gesamte Bevölkerung gleichermaßen relevant zu sein.

Die Studiendatenbank des Projektes „Digitales Deutschland“ bietet hier eine systematische Recherchemöglichkeit. In der Studiendatenbank sind 141 Texte zu Kompetenzmodellen erfasst und aufbereitet, die im Diskus um Digital-, Medien-, Daten- oder KI-bezogenen Kompetenzen eine Rolle spielen. Zusätzlich sind die Kompetenzmodelle bspw. nach der Altersgruppe kategorisiert, für die sie formuliert wurden.

Überblick über Studienlandschaft

Die Studiendatenbank bietet auch einen Überblick über 183 empirische Studien zu Digital-, Medien-, Daten- oder KI-bezogenen Kompetenzen. Ein zentrales Aufnahmekriterium in die Studiendatenbank ist, dass in der Studie ein konkretes Kompetenzmodell grundgelegt oder auf dieses verwiesen wird. Denn nicht alle Umfragen und Studien stellen diese Information bereit.

In der Datenbank sind jeweils zentrale Erkenntnisse der Studien zusammengefasst, Literaturbezüge dargestellt und weitere Angaben ergänzt. Darüber hinaus werden die verwendeten Items eingeordnet in die Kompetenzdimensionen des Rahmenkonzepts von Digitales Deutschland. Damit können Bezüge zwischen unterschiedlichen Studien herausgestellt werden und auch Unterschiede sichtbar werden. Neu ergänzt wird derzeit ein graphisches Interface, das die Verbindungen zwischen den Studien sichtbar macht und damit einen zusätzlichen Zugang zu den aufbereiteten Daten ermöglicht.

Dimensionen von Digitalkompetenz nach dem DigiD-Rahmenkonzept

Auf Basis der Sichtung vorliegender Kompetenzmodelle wurde 2020 im Projekt Ein Rahmenkonzept erstellt, welches die unterschiedlichen Dimensionen von Digital-, Medien-, Daten- oder KI-bezogenen Kompetenzen bündelt.

Im Einzelnen sind dies die

  • instrumentell-qualifikatorische Dimension: auf die Bedienung bezogene Fähigkeiten und Fertigkeiten
  • kognitive Dimension: Fähigkeiten zur kognitiven Auseinandersetzung mit Inhalten und Systemen
  • affektive Dimension: Fähigkeiten zur Stimmungs- und Selbstregulation im Medienhandeln
  • kreative Dimension: unterschiedliche auf die (Medien-)Gestaltung bezogene Fähigkeiten und Fertigkeiten
  • soziale Dimension: Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für Kollaboration, Partizipation und für digitale Kommunikation zwischen Menschen und in Gruppen relevant sind
  • kritisch-reflexive Dimension: Fähigkeiten, die eine sozial und ethisch verantwortliche Betrachtung und Bewertung von digitalen Medien und Systemen ermöglichen (ausführlich siehe Digitales Deutschland 2020).

Empirische Daten mit dem „Kompass: Künstliche Intelligenz und Kompetenz“

Mit dem „Kompass: Künstliche Intelligenz und Kompetenz 2023“ bietet das Projekt zudem bereits mit der zweiten Erhebungswelle repräsentative Daten zu den Digitalkompetenz der deutschsprachigen Bevölkerung ab 12 Jahren. Im Fokus standen ihre Kompetenzen, Einstellungen zu und ihr Handeln mit Digitalen Medien und insbesondere Künstlicher Intelligenz (KI). Der Ergebnisbericht belegt wie die vorhergehende Befragung: In der Bevölkerung gibt es noch Unterstützungsbedarfe für ein souveränes Leben in einer digitalen Gesellschaft. Welche Hürden den Menschen dabei im Wege stehen und wie sie beim Kompetenzerwerb unterstützt werden können, ist im „Kompass: Künstliche Intelligenz und Kompetenz 2023“ näher beschrieben.

Die Frage nach der Selbsteinschätzung verschiedener Kompetenzitems in Kombination mit der Einschätzung der gesellschaftlichen Relevanz der Items ist dabei ein Kernprinzip der Befragung. So kann identifiziert werden, welche Bevölkerungsgruppen welche Kompetenzen als wichtig erachten und inwiefern sie sich darin auch als kompetent sehen.
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Die meisten Befragten trauen sich beispielsweise zu, dass sie online den eigenen Wünschen entsprechende Informationen finden können. Auch digitale Medien so zu nutzen, dass es einem gut tut sowie Inhalte zur Unterhaltung auszuwählen, können viele nach eigener Angabe (eher) gut. Andere Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich die Bevölkerung dem digitalen Wandel in wichtigen Fragen nicht gewachsen sieht. So klaffen die Relevanzeinschätzungen und die Einschätzung der eigenen Kompetenzen vor allem bei folgenden Themen deutlich auseinander: Zu erkennen, wem man im Netz vertrauen kann und wem nicht, die Glaubwürdigkeit von Quellen einzuschätzen sowie Risiken der Nutzung digitaler Medien erkennen zu können. All diese Kompetenzanforderungen haben auch einen Bezug Operationalisierungen von Datenkompetenz.

Der Großteil der Bevölkerung sieht sowohl Chancen als auch Risiken in Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz.
() Solche Einstellungen haben auch Einfluss darauf, wie Menschen mit neuen Technologien umgehen. In verschiedenen Bildungsgruppen sowie zwischen den Geschlechtern unterscheidet sich, wie Menschen KI hinsichtlich des eigenen Lebens bewerten. So sehen Menschen mit niedriger formaler Bildung KI eher oder teilweise als Risiko. Im Gegensatz dazu nehmen Personen mit formal höherer Bildung KI (eher) als Chance wahr. Frauen bewerten KI häufiger als Männer ambivalent. In Informations- und Bildungsangebote zu KI sollten gerade solche Ambivalenzen aufgegriffen werden. Zielführend erscheint auch, Erfahrungen der Menschen mit KI aufzugreifen und solche zu ermöglichen.

Aus den Ergebnissen der Studie wird deutlich, inwiefern mit unterschiedlichen Lebens- und Bildungskontexten ungleiche Chancen zur Aneignung von KI-bezogenen Kompetenzen verbunden sind. Menschen bringen sich Kompetenzen im täglichen Handeln vor allem selbst bei – ggf. mit Hilfe ihres sozialen Umfeldes oder medialer Angebote. Inwiefern auch weitere Bildungsangebote genutzt werden, variiert je nach Lebensalter und -lage. Das unterstreicht, dass eine smarte Gesellschaftspolitik differenzierte Ansatzunkte braucht, um Kompetenzerwerb für alle zu ermöglichen.

Weitere Ergebnisse des „Kompass: Künstliche Intelligenz und Kompetenz 2023“ sind:

  • Viele Befragte haben ein eher vages Verständnis davon, was KI ist. Als Expert*innen schätzen sich mit zwei Prozent der Befragten nur wenige ein.
  • Den Befragten ist vor allem Gegenständliches präsent, wenn sie an KI denken – zum Beispiel Roboter, aber auch andere Hardware. Auch im Alltag verbinden die Befragten mit KI vor allem Geräte – besonders das Smartphone.
  • Die meisten Befragten sind sich der Grundlagen zum Verständnis von KI bewusst. Dazu zählt, dass Menschen beim Programmieren von KI eine bedeutende Rolle spielen oder dass eine KI (auch aus den eigenen) Daten lernt. Eine Herausforderung sehen die Befragten für sich aber darin, zu wissen, woran sie erkennen können, ob Unternehmen mit den eigenen Daten verantwortungsvoll umgehen.
  • Für fast alle Befragten ist Datenschutz (eher) wichtig. Zugleich schätzen sie ihre Fähigkeiten bezüglich des Umsetzens von Datenschutz zum Teil deutlich verhaltener ein.
  • Vor allem kreative Fähigkeiten erfahren (gegenüber anderen Kompetenzdimensionen) vergleichsweise geringe Anerkennung.

Weitere Ergebnisse finden sich im Bericht, der im open access über die Webseite heruntergeladen werden kann. Die Datensätze der ersten beiden Erhebungswellen sind veröffentlicht und können für Sekundärauswertungen genutzt werden. Derzeit laufen die Vorbereitungen für die dritte Erhebungswelle.


Methodensteckbrief:

Der „Kompass: Künstliche Intelligenz und Kompetenz 2023“ fasst Ergebnisse der zweiten Repräsentativbefragung im Projekt Digitales Deutschland zusammen. In einer telefongestützten Befragung wurden im Januar und Februar 2023 2006 deutsche Bürger*innen ab 12 Jahren zu ihrer Vorstellung von KI, ihrem Wissen, ihren Einstellungen und ihrem Umgang mit KI-Systemen befragt. Dazu wurde der Fragebogen im Verbundteam (JFF – Institut für Medienpädagogik, Universität Siegen, PH Ludwigsburg) und dem Befragungsinstitut GIM weiterentwickelt und in einem Pretest vorab getestet. Die erste Erhebungswelle wurde 2021 durchgeführt. Alle Ergebnisse sind verfügbar unter: https://digid.jff.de/eigene-studien

Verweise:

Brüggen N., Sūna L. 2023: Zur Vielfalt an Kompetenzbegriffen im Kontext des digitalen Wandels. Im Rahmen des Projektes Digitales Deutschland. Online verfügbar: https://digid.jff.de/magazin/digitales-deutschland/zur-vielfalt-an-kompetenzbegriffen-im-kontext-des-digitalen-wandels/

Oeldorf-Hirsch, Anne; Neubaum, German (2023): What do we know about algorithmic literacy? The status quo and a research agenda for a growing field. In: New Media & Society, Artikel 14614448231182662. DOI: 10.1177/14614448231182662

Sūna, Laura (2023): Migrants‘ Imaginaries and Awareness of Discrimination by Artificial Intelligence. A Conceptual Framework for Analysing Digital Literacy. In: Bianca Herlo und Daniel Irrgang (Hg.): Proceedings of the Weizenbaum Conference 2022: Practicing Sovereignty – Interventions for Open Digital Futures. Weizenbaum Institute for the Networked Society – The German Internet Institute. 4. Weizenbaum Conference „Practicing Sovereignty: Interventions for Open Digital Futures“. Berlin, 2022, S. 15–25. Online verfügbar unter https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/86095.

Zweistufige Befragung


Vorgehen: Stufenweise Annäherung (idealtypisch)


Vorgehen: Stufenweise Annäherung (idealtypisch)